Beweis: Ist \(\sqrt 2\) ein Dezimalbruch?

Vorwort

Was ist eigentlich ein Beweis? Beweise sind in der Mathematik ein außerordentlich wichtiges Instrument. Mit Hilfe von Beweisen kann - und muss - man zeigen, dass das, was man machen möchte auch wirklich funktioniert, und zwar immer. Man bedient sich dabei zum einen bei den Grundaxiomen der Mathematik, aber auch bei den Sachverhalten, die man schon überprüft hat (wir müssen das Rad ja nicht immer neu erfinden...). Es gibt verschiedene Beweisstechniken - relativ einfache, aber auch hochkomplexe. Wir werden uns hier mit einem (hoffentlich) einsichtigen Verfahren beschäftigen.
\(\sqrt 2\) ist ja eine Dezimalzahl: 1,41421... Solche Zahlen haben wir schon kennengelernt, als wir Brüche in Dezimalbrüche umgewandelt haben. Wenn ich z.B. 1 : 7 rechne, kommt ja auch eine lange Zahl heraus: 0,142857... Das besondere hier ist, dass sich die Ziffernfolge wiederholt. Das haben wir seinerzeit alsPeriode bezeichnet. Die Frage ist nun bei \(\sqrt 2\), ob das auch eine lange Periode ist oder ob das sogar irgendwann abbricht wie z.B. bei 1 : 4. Wenn das Fall sein sollte, müsste sich ja \(\sqrt 2\) als Dezimalbruch darstellen lassen. Und genau das nehmen wir als Ausgangspunkt userer weiteren Überlegungen:

Beweis

Annahme

\(\sqrt 2\) ist ein Dezimalbruch und lässt sich als Division zweier ganzer Zahlenu undv darstellen, die teilerfremd sind.

Das ist unsere Grundthese und wir wollen schauen, ob sie stimmt.

Beweisführung

Wir schreiben \(\sqrt 2\) einfach mal so hin, wie wir das gerade behauptet haben:

\[\Large \sqrt 2\ = {u \over v}\]

Bis jetzt sollte das noch nicht kompliziert sein - oder? Da uns aber die Wurzel stört, quadrieren wir die gesamte Gleichung und erhalten:

\[\Large 2 = {u^2 \over v^2}\]

Wir multiplizieren noch auf beiden Seiten mit. Dadurch haben wir auch keinen Bruch mehr (seeehr sympatisch...😉). Es bleibt also stehen:

2v ² =u ²

Okay, das war ja auch nicht schwer. Aber was hilft uns das? Wir können jetzt eine Aussage überu machen:u muss eine gerade Zahl sein. Warum?

  1. 2v ² ergibt ja eine gerade Zahl. Denn wir wissen ja: jede Zahl, die ich mit 2 multipliziere ergibt eine gerade Zahl.
  2. auf der rechten Seite steht zwaru ², aber das macht nix. Jede gerade Quadratzahl hat auch eine gerade Grundzahl (Beispiel: 16 = 4²).

Super,u ist also eine gerade Zahl. Das heißt aber, ich kann beiu den Faktor 2 ausklammern. Es muss demnach eine Zahlw geben für die gilt: 2w =u. Klasse! Dann ersetzen wir in unserem ersten Ergebnisu durch 2w:

2v ² =u ²

2v ² =(2w) ²

Wir rechnen den Term auf der rechten Seite aus:

2v ² = 4w ²

Wir teilen noch auf beiden Seiten durch 2 und erhalten:

v ² = 2w ²

Das bedeutet aber (siehe oben): auchv muss gerade sein.
Was bringt uns das? Eine ganze Menge. Unsere Überlegungen haben ergeben, dass sowohlv als auchu gerade sein müssen. Das führt uns unmittelbar zum

Beweisschluss

Beide Zahlenu undv müssen gerade sein. Das widerspricht der Ausgangsannahme, dassu undv teilerfremd sind. Damit ist gezeigt, dass sich \(\sqrt 2\) eben nicht durch die Division zweier ganzer, teilerfremder Zahlen erzeugen lässt.

Nachwort

Letztendlich haben wir gezeigt, dass es Zahlen gibt, die sich nicht als Bruch darstellen lassen. Im Gegesatz zu denrationalen Zahlen, bei denen das möglich ist, sprechen wir hier von denirrationalen Zahlen. Diese stellen eine Erweiterung des bisherigen Zahlenraums dar. Die rationalen Zahlen und die irrationalen Zahlen zusammen bilden die Menge derreellen Zahlen und diese bekommt das Symbol:.
Das ist auch die letzte Erweiterung des Zahlenraums in der Sek I. Eine Erweiterung gibt es noch, doch die spielt in der Schulmathematik keine allzu große Rolle. Hoffentlich hat euch dieser Beweis ein wenig Spaß gemacht. Das ist es, was letztendlich die Mathematik ausmacht. Der echte Mathematiker rechnet nämlich nicht...😉

Und wer ein wenig Spaß daran gefunden hat: es gibt immer noch unbewiesene Behauptungen in der Mathematik, auch für Probleme, die sich auf den ersten Blick als nicht so komplex darstellen. Ein Beispiel dafür ist dieGoldbach'sche Vermutung:

Jede gerade Zahl, die größer als 2 ist, ist Summe zweier Primzahlen.

Ein Beipiel wäre z.B. 28: 28 = 23 + 5. Diese Vermutung ist seit 1742 unbewiesen...